Astroklamotten

Wer sich praktisch mit Astronomie beschäftigt, wird früher oder später einmal in die Situation kommen, eine Beobachtung in einer klaren Winternacht wegen Kälte abzubrechen. Ich möchte an dieser Stelle einige Hinweise und Vorschläge für praktische Kaltwetterbekleidung geben. Entstanden ist diese Seite in Vorbereitung einer astronomischen Expedition im November 1998 in die Mongolei (zu erwartende Tiefsttemperaturen: -30°C). Einige der vorgestellten Bekleidungsstücke sind aber durchaus auch in kalten Sommer-/Herbstnächten sehr zu empfehlen.

Update 27.Oktober 1998: Einige haben nach Preisen der vorgeschlagenen Bekleidungsstücke gefragt. Soweit ich es noch irgendwie herausbekommen konnte, habe ich die von mir bezahlten Preise dazugeschrieben bzw. aus diversen Katalogen die Preisspannen herausgesucht. Eventuell bekommt man das eine oder andere noch günstiger.

Update 29.November 1998: Inzwischen ist die Leoniden-Beobachtung in der Mongolei Geschichte. Die Bekleidung hat alle Erwartungen erfüllt: bei -30°C war eine 8stündige Beobachtung problemlos möglich! Einige Hinweise, die aus der Mongolei-Tour resultieren, sind in dieser Farbe bei den entsprechenden Bekleidungsstücken zu finden.

Update 24.April 1999: Einige veraltete Links wurden aktualisiert.

Update 18. Juli 1999: Die Seite wurde auf astroamateur.de verlegt.

Update 27. Juli 1999: Veraltete Links aktualisiert.

Update 31. Oktober 2000: Veraltete Links aktualisiert. Kleinere Ergänzungen. Farben verändert. Alle Links öffnen jetzt neue Browserfenster.

Update 8. Dezember 2001: Links aktualisiert und auf Euro umgestellt... 

Update 18. September 2002: Links überprüft und gegebenfalls aktualisiert


 

Der Kopf

Das wichtigste zu schützenden Körperteil ist der Kopf! Mehr als 50% der Körperwärme wird über den Kopf abgeführt. Grund ist, das unser Gehirn immer gleichmäßig mit Blut versorgt werden muß. Schon bei Temperaturen um +5°C ist eine Kopfbedeckung empfehlenswert. Die Kopfbedeckung sollte möglichst so gewählt werden, das auch der Nacken und die Ohren bedeckt sind. Für sehr kalte Temperaturen sollte man evtl. die Anschaffung einer Sturmhaube oder Balaclava (15-30 EUR) in Erwägung ziehen. Diese bedeckt neben dem gesamten Kopf auch Teile des Gesichts. Für Brillenträger gibt es spezielle Balaclavas, z.B. Gorilla (40,-EUR) von Outdoor Research die die Luft aus der Nase über eine spezielle Konstruktion abführt, so das die Brille kaum beschlägt. Als Material für Kopfbedeckungen bei kaltem Wetter empfiehlt sich Fleece. Nachteil dieses Materials ist die Winddurchlässigkeit. Die Lösung ist Windstopper-Fleece, ein normaler Fleece, der mit einer winddichten aber atmungsaktiven Windstopper-Membran (Hersteller: Gore - USA) versehen ist. Ein Vorteil einer Fleece / Fleece+Windstopper Kopfbedeckung ist das verhältnismäßig dünne Material (keine Beeinträchtigung des Gehörs).

MONGOLEI-TEST: Die spezielle Balaclava für Brillenträger ist nur sinnvoll, wenn man sich wenig bewegt und ruhig durch die Nase Luft holt. Sobald man sich etwas mehr anstregt und kräftiger atmet, beschlägt trotz dieser Konstruktion die Brille.

Der Körper


Es ist allgemein bekannt, das Bekleidung im Zwiebelschalen-Prinzip bei kalten Wetter für wohlige Wärme sorgt. Leider wird da so manches mal zu viel des Guten getan und man wundert sich, warum man bei 3 Unterhemden, 2 Pullovern und einem Parka immer noch friert... Das Zwiebelschalen-Prinzip soll ein isolierendes Luftpolster zwischen der Haut und der Außenluft aufbauen. Ist die Bekleidung zu eng, erreicht man das Gegenteil: das Luftpolster wird 'zerdrückt' und es tritt keine isolierende Wirkung ein. Theoretisch muß jedes Kleidungsstück, das man über ein anderes zieht, eine Konfektionsgröße größer sein. Hat man einen solchen 'Panzer' an, kann man bei körperlicher Betätigung (Stichwort: Astrogynmastik) sehr schnell anfangen zu schwitzen. Ist erst einmal der Schweiß wieder abgekühlt, dauert es nicht mehr lange bis man anfängt zu frösteln. Besser ist eine gewisse Abfolge aus leichtem Material, das zum einen den Transport des Schweißes vom Körper weg ermöglicht und zum anderen schon vom Material her Luftpolster aufbaut. Nicht nur bei extrem niedrigen Temperaturen kann man diese Kleidungsstücke benutzen - auch in den anderen Jahreszeiten sind Teile der Bekleidung sehr nützlich.
 
 

Unterwäsche


Normale Unterwäsche besteht zu großen Teilen aus Baumwolle - ein idealer Feuchtigkeitsspeicher. Deshalb sollte man lieber auf sogenannte Funktionsunterwäsche zurückgreifen, die vollständig aus Kunstfasern besteht und die Feuchtigkeit vom Körper ableitet. Selbst 'dicke' Funktionsunterwäsche ist nur 1-2 Millimeter dick und wird direkt auf dem Körper wie eine zweite Haut getragen. Die Funktionsunterwäsche besteht meist aus Polypropylen oder Polyester, teilweise (je nach Hersteller) auch aus Fleece. Von mir wurde die Funktionsunterwäsche 'Lifa Arctic' (Hose 40 EUR, Hemd 38 EUR) der Firma Helly-Hansen getestet und für gut befunden. Etwas preisgünstiger ist die Thermo-Unterwäsche anderer Firmen, die inzwischen auch größere Supermärkte anbieten. Allerdings ist das Material dünner, die Innenseite nicht angerauht und es sind meist nur normale Nähte (statt Flachnähte) vorhanden.
 
 

Mittelschicht


Der Mittelschicht bei der Kaltwetterbekleidung kommt eine zweifache Bedeutung zu. Zum einen sollte sie Luft und Wärme speichern und Feuchtigkeit abführen und zum anderen aber als äußere Bekleidung bei Arbeiten, die man kurzzeitig in geschlossenen Räumen (Dunkelkammer o.ä.) durchführt, fungieren. Dazu hat sich Fleece-Bekleidung hervorragend bewährt. Als Bonus bekommt man außerdem eine Bekleidung, die man als äußere Schicht bei Beobachtungsaktionen im Frühjahr oder Herbst benutzen kann. So habe ich bei +10°C nur mit einem dünnen T-Shirt und einer Fleece-Jacke problemlos die Nacht überstanden - mir war sogar zu warm! Bei der Fleecebekleidung gibt es unzählige Hersteller. Ich habe mich für die Hausmarke 'four seasons' des Versand-Outdoorausrüsters 'Globetrotter' entschieden, da sie nach meinen Recherchen das beste Preis-/Leistungsverhältnis brachte. Die Fleecejacke (55 EUR) besteht aus Polartec 300 (das dickste Fleecematerial) und die Fleecehose (55 EUR aus Polartec 100 -- Polartec 200 ist momentan nicht mehr verfügbar). Diese Bekleidung ist aber nicht winddicht! Eine winddichte Variante ist deutlich teurer, aber für unsere Breiten angebrachter (bei einem Neukauf würde ich jetzt allerdings eine Windstopper-Variante bevorzugen).
 
 

Außenschicht


Als Außenschicht bei sehr kalten Wetter kommt nur Daunenbekleidung in Frage. Auch hier gibt es viele Hersteller und Qualitätsunterschiede. Wichtig ist das Verhältnis Daunen zu Federn, das bei guter Daunenbekleidung 90/10 betragen sollte. Es ist ein Maß für die Isolationswirkung. Normale Kaufhaus-Daunenbekleiung hat meist Daunen zu Federn-Verhältnisse um 70/30. Weiterhin ist auch die Menge der Daunenfüllung wichtig und wird als Fillpower (in inches3 ) ausgewiesen. Werte zwischen 650 und 700 erfüllen die Anforderungen für Extrembekleidung. Für mitteleuropäische Verhältnisse ist außerdem noch wichtig, aus welchem Material die äußere Schicht besteht. In unseren Breiten haben wir auch im Winter selten ein richtig trockenkaltes Klima. Deshalb besteht die Gefahr, das die Daunen in unserer Bekleidung feucht werden und damit die Isolationswirkung nachläßt. Deshalb sollte als äußere Schicht ein feuchtigkeitsabweisendes Material wie z.B. Dryloft von Gore zum Einsatz kommen.

Ein sehr bekannter Hersteller von von hochwertiger Daunenbekleidung ist 'The North Face'. Wer Produkte dieser Firma kauft, ist immer gut beraten. Leider haben aber die Produkte von TNF einen entscheidenen Nachteil - sie sind recht teuer (liegt teilweise auch am Dollarpreis der letzten Monate). Eine echte Alternative ist die kleine Berliner Firma Yeti, die schon seit vielen Jahren Daunenbekleidung herstellt. Auch unter den Amateurastronomen scheint sich das herumgesprochen zu haben, denn ich kenne einige, die auf Yeti-Daunen schwören. So kann man für 710,-EUR (bei Yeti) einen kompletten Daunenanzug Yeti Uschba Hose (280 EUR) und Yeti Samok Parka (430 EUR) erwerben - dafür bekommt man bei anderen Anbietern gerade mal Teile eines Anzuges...
 
 

Die Füße


Ein ziemlich kritisches Körperteil - jedenfalls im Zusammenhang mit Kälte, sind die Füße. Hat man erst einmal 'Eisbeine' ist es meist zu spät, denn man bekommt diese mit ziemlicher Sicherheit nicht wieder warm. Deshalb ist die Wahl des richtigen Schuhwerkes, aber auch der Socken, äußerst wichtig. Gerade hier gilt: zuviel ist meist völlig falsch. Wer versucht, sich mit drei Paar Socken in Schuhe oder Stiefel zu quälen, wird mit Sicherheit Probleme bekommen. Besser ist, sich ein Paar Socken zu kaufen, die die Feuchtigkeit von den Füßen ableiten und dabei noch wärmen. Die Firma Falke bietet mit der Trekking-Socke TK4 (15 EUR) eine warme, speziell gepolsterte Socke aus Poly-Gemisch und Wolle. Sie ist hervorragend für alle Schuhe und Stiefel geeignet.

Bei den Stiefeln gehen die Ansichten weit auseinander. Wer Probleme mit kalten Füßen hat, sollte sich für Beobachtungen im Winter entsprechende Extrem-Stiefel zulegen, auch wenn man sie im 'normalen' Leben kaum nutzen kann (es sei denn, man steht Stunden auf dem Weihnachtsmarkt und verkauft Glühwein...). Hersteller von solchen Stiefeln ist die kanadische Firma Sorel. Der wärmste Stiefel war der 'Dominator' (inwischen wurde die Produktion eingestellt), laut Herstellerangaben bis -70°C geeignet - allerdings nur wenn man sich bewegt. Der Stiefel hat einen 13mm Innenschuh aus Polypropylen, eine reflektierende Folie, einen Viskosefilz und einer weiteren reflektierenden Folie. Wenn man diese Stiefel trägt, muß man das Laufen fast neu erlernen (rund 1.3kg pro Stiefel machen sich bemerkbar...). Die etwas kleinere Variante ist der 'Bighorn' (ebenfalls eingestellt) mit 9mm Innenschuh. 

MONGOLEI-TEST: Man sollte unbedingt darauf achten, daß man Strümpfe und Stiefel für die Beobachtung erst unmittelbar vor der Beobachtung anzieht. Wer bereits den ganzen Tag mit den Schuhen herumläuft, riskiert einen Feuchtigkeitsstau in den Stiefeln und damit Eisfüße. Nach der Beobachtung unbedingt den Innenschuh der Stiefel, die Strümpfe und nach Möglichkeit auch die Stiefel selbst an einer Heizung trocknen.
 
 

Handschuhe


Auch bei Handschuhen gehen die Meinungen auseinander - manche brauchen keine, andere können nicht ohne... Deshalb möchte ich an dieser Stelle nicht auf spezielle Produkte eingehen. Für den normalen Gebrauch eignen sich Fleecehandschuhe mit Windstopper-Membran (20 - 50 EUR) - sie sind relativ dünn und warm. Wer es wärmer braucht, sollte statt Fingerhandschuhe Fäustlinge benutzen, da sie besser wärmen. Es gibt einige Handschuhkonstruktionen, die beide Varianten vereinen: ein Fingerhandschuh , bei dem der Zeigefinger sogar freigelegt werden kann (zum schiessen oder fotografieren)  mit einer Kappe, die über die Finger gestülpt wird und damit einen Fäustling erhält.
 



Zum Schluß...


... vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Wer gerne seine (konstruktive) Kritik oder Meinung loswerden möchte: einfach eine Mail an astroklamotten@astroamateur.de
 

André Knöfel

Disclaimer/Haftungsausschluss